Mein bester Freund,
kennst du noch meinen Küchentisch? An dem sitze ich jetzt. Eine Kerze ist an, sie riecht nach Vanille, unglaublich streng und Ikeamäßig, aber es passt zur Stimmung. Natürlich ist das Radio an und spielt - wie sollte es anders sein- traurige, langsame, einfühlsame und nachdenkliche Lieder. Passend zu einem Sonntagabend im Oktober.
Vor einigen Tagen hast du mir gesagt, dass dir meine Kritik an Deiner Person am Wichtigsten ist. Das war für mich klar, immerhin war mir deine Kritik auch immer wichtig gewesen- so wichtig, dass ich sie mir zu Herzen genommen habe und die Punkte, die ich ändern konnte, geändert habe. (Im Radio läuft Janis Joplin..)
Ich habe dir eine lange Mail geschrieben, Eine Kritikmail- da du sie wolltest. Aber sie kam nie an.
Jetzt schreibe ich den zweiten Teil, der, der mir viel, viel leichter fällt. Dir sagen, wieso du mein bester Freund bist:
Komisch, man spricht ein paar Mal miteinander und stellt fest- man kennt sich. Schon ewig. Gleichzeitig stellt man fest, dass man bereit ist, von dem Anderen zu lernen.
Zunächst hast du versucht, mir Vertrauen beizubringen. Vertrauen, dass ich verloren hatte, dass ich nicht mehr aufbauen wollte. Vertrauen in Menschen. Unmöglich, dachte ich, unmöglich, ich wurde so oft enttäuscht- ich will das nicht mehr. Du hast es geschafft. Es hat 2.5 Jahre gedauert- aber du hast es geschafft. Vor drei Wochen kam es wie in Blitz in mich: Ich vertraue ihm- uneingeschränkt.
Wir haben uns Nähe beigebracht. Beide sind wir Menschen, die Gefühle für sich behalten und mit Masken und gespielter Stärke versuchen, glücklich zu werden. Es hat nicht viel Übung gebraucht für uns. Wir konnten gemeinsam weinen, lachen, ängstlich sein, uns in den Arm nehmen, genießen. Seit einem Jahr - ungefähr - habe ich das Gefühl, bei dir "zu Hause" zu sein.
Wir haben Streiten gelernt. Ich erinnere mich an Situationen, in welchen wir wie zwei trotzige dreijährige Kinder gehandelt haben. Und uns natürlich beide im Recht fühlten. Und selbstverständlich waren. Keine Frage. Mittlerweile können wir konstruktiv streiten. Ähm. Aber oft geht es!!
Wir haben uns Bewegung beigebracht, und den Spaß daran. Nagut, den 10 km - Lauf, den haben wir nie hinbekommen- aber sei mal ehrlich- wir wollten es auch nie :) ABER wir waren walken, so wie du es im Mai gesagt hast: Bis September halten wir durch. Haben wir. Fast immer. Unsere Munzee-Touren haben so viele Kilometer verschlungen- die wir IMMER ergangen sind. Außer einmal, als wir mit unseren Rollern eine der wenigen aber wunderschönen Touren gemacht haben. Den "Walk The Rhine" haben wir nicht geschafft, aber vorgenommen ist schon fast geschafft!
Wir haben uns Ruhe und Entspannung beigebracht. Im Urlaub, auf dem Sofa, (With a little help from my friends - Joe Cocker) am See, im Hof, auf dem Balkon. Nachmittage und Abende, an denen jeder für sich am Pc, am Laptop, am Iphone oder am Ipad saß oder man sich einfach angeschwiegen hat. Man musste nicht sprechen um sich wohl zu fühlen. Man musste nur "Sein." Wir sind über die Wochenenden weggefahren und haben uns schlechtes Wetter gewünscht, damit wir im Bett liegen und faul sein können- DAS konnten wir bestens!
Wir haben uns Kochen beigebracht. (Just an Illusion). Deine Salate sind die geilsten, die ich je gegessen habe. Unsere Kreationen im Wok waren immer mit anderen Zutaten- immer improvisiert- aber immer absolut gleich geil. Kochbücher waren notwendig um zu wissen, auf was wir Hunger haben, aber Rezepte sind veränderbar, das Ergebnis damit meist leckerer als die Bilder im Buch.
Wir sind zu den Top-Trash-TV Experten geworden. Nicht nur, wir waren uns einig, dass wir die beste Jury bei DSDS. Supertalent und Popstars sind. Dass wir "Wer wird Millionär" immer gewinnen würden und dass Frauentausch die schlechteste Sendung ever ist. Ach und die süßen bei Bauer sucht Frau.... Pfillipp und Pfeit. die Pferdebauern, was hast du sie geliebt und ich sie furchtbar gefunden ;)
Ungeliebte aber notwendige Feierlichkeiten haben wir gemeinsam überstanden.
Gelästert haben wir. Über alles was uns einfiel. Tränen haben wir gelacht, so sehr, dass uns der Bauch weh tat. Die Bilder davon sprechen Bände.
Unzählige Gespräche haben wir geführt, in welchen wir uns gegenseitig stärkten, aufräumten und Mut machten. Damit wir später, wenn auch deine Krankheit es zulässt, ein freundschaftliches Leben miteinander führen können, jeder für sich aber immer im Wissen- da ist mein bester Freund, den ich nie hängen lassen werde. Für den ich immer da sein werde. Immer. Immer im Wissen, dass man nach Hause kommen darf.
Ach, deine Krankheit. Ja, sie ist da. Aber wir haben gekämpft. Über Jahre gekämpft, damit ich nie nie nie an deinem Grab stehen muss um Abschied zu nehmen.
Abschied zu nehmen so wie jetzt.
Nein, das JETZT ist schlimmer. Es ist das Ende. Man sagt, dass das Ende gut ist- und wenn es nicht gut ist, dann ist es kein Ende. Aber jede Regel hat eine Ausnahme. Leider.
Fliegen lerne ich nun ohne meinen besten Freund.
Nach Hamburg komme ich wohl nie.
Ballonfahren... das wollte ich sowieso nie.
SEIN kann ich alleine. Muss ich ja.
Das letzte, das du mir beigebracht hast, war das schmerzvollste: Du hast es dir offengelassen, ob wir Freunde sind. Du kannst nicht zwei Freunde nebeneinander haben. Oh- doch. Gestern, an meinem Geburtstag, hast du mir gesagt, dass du es wohl "musst". Nein, man muss nichts im Leben. Ich wollte sprechen, dachte, ich hätte es verdient, von Angesicht zu Angesicht mit dir über dieses Ende zu reden. Deine Möglichkeit war sehr angenehm für mich: "Du wollest mich sehen? Wir treffen uns mit Bruder, Schwägerin und Vater beim Brunch". Danke! Danke für die Möglichkeit, mit dir darüber zu sprechen. Ich habe sie wohl verpasst, den genutzt habe ich dein Angebot nicht. Deine Antwort auf die Frage, wie es denn nun mit uns wäre war: "Läuft". Das kleine Wörtchen "weg" hast du sicherlich mit Absicht weggelassen.
Mein größter Freundschaftsdienst kann eigentlich nur einer sein: Ich gebe ein Stück meines Herzens auf und hoffe, dass du das, was ich dir mitgebe, tausendfach weitergibst: Liebe, Wärme, Respekt, Wertschätzung und Ehrlichkeit. Keine Floskeln.
Erinnerst du dich? Trotzig wie eine Dreijährige? Und nicht nur das, sondern auch gefühlvoll wie ein Baby: Ich kann es nicht ertragen, dich auf Twitter zu lesen.Mein wundes Herz muss heilen.
Ich kann es nicht ertragen, keine WhatsApp zu bekommen. Mein wundes Herz muss heilen.
Ich danke Dir für die Freundschaft, die ich empfinden durfte. Für all die schönen Stunden, die ich hatte, für alles echte Lachen, das ich in mir spürte.
Du warst mein bester Freund. Du warst ein Stück meines Herzens, ein Stück von mir. Ein Juwel in rot.
Ich habe mein Versprechen nicht gehalten, immer für dich da zu sein. Ich hätte es gerne!
Für deine Zukunft wünsche ich Dir, dass du Menschen wie mich kennen und schätzen lernst. Du hast mir geschrieben: "Ich bin stolz auf Dich. Denn so jemanden wie Dich hat nicht jeder. Ich kann mit dir angeben, wenn ich will :)"
Wenn du noch so jemanden findest, dann GIB AN. Schenk all das zurück was du bekommst und kämpfe. Das sind die Lichtblicke des Lebens, die man halten und pflegen sollte. Um die man kämpfen muss.
Ich habe gekämpft- du hast gewonnen. Alles Gute. Ich hab dich lieb. Viel.
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