Sonntag, 9. Oktober 2011

Ein Jahr

Noch einmal schlafen, dann ist ein Jahr um. Noch einmal ins Bett gehen:
"Lass mich dich anschauen- morgen bist du ein Jahr älter."

Genau. Ein Jahr.

Älter werden ist die eine Seite- zurück schauen, was alles passiert ist, ist die andere.
"Du machst deine Post erst am Geburtstag auf? Ich schau da vorher schon rein."

Was für ein Gedanke. Vorher reinschauen? NIEMALS.
Naja, einmal. Morgen ist sowieso Hektik, Dienst, keine Zeit, zu früh....
Eine Karte ist von ihren Eltern da, die könnte man doch... ach, sie wartet bis Mitternacht. Setzt sich noch etwas an den PC und vertreibt die Zeit, bis der "Tag nach einem Jahr" beginnt.
Ob es Pech bringt? Quatsch- aufmachen die Karte und sich auf Morgen freuen!
Ungeduldig schlitzt sie den Briefumschlag auf, freut sich auf die warmen Worte der Eltern- auf die Hinweise, wie lieb man sich hätte und wie sehr man an dem Tag gerne näher dabei wäre.

Keine Karte wie sonst.
Dünn. Farblos.
Traurig. Kurze, nichtssagende Worte "verbunden mit einem Kuss". Mit freundlichen Grüßen.
Hat die Entfernung sie entfremdet? Die verschiedenen Arten, ein Leben zu führen? Das Unverständnis, wie sie ihr Leben führt. Nicht so.... normal.
Schwer. Stressig. Alleine. Aber: es funktioniert.
Eltern wünschen sich etwas anderes: Das Kind soll ein besseres Leben haben.
Leicht, unbeschwert, sorglos.
Das hat sie nicht.
Die Hilfe der Eltern möchte sie nicht, sie möchte es alleine schaffen. Wieviel Streit ist deswegen schon gewesen- aber sie hat sich durchgesetzt.
Ist das nun der Lohn?
Traurig geht sie ins Bett- so hat sie sich das nicht vorgestellt. Plötzlich erscheint ihr alles, was sie macht, alles, was sie gemacht hat, falsch.
Der nächste Tag- ein Hohn. Sie möchte ihn nicht mehr. Sie möchte sich in ihr Bett verkriechen und dieses Leben Leben sein lassen. Egal was passiert.
Die ganze Mühe, die Arbeit, die Kämpfe- sie erscheinen umsonst gekämpft. Umsonst bemüht. Umsonst gearbeitet.
Der Tag bricht an. Die Traurigkeit ist mitgekommen in den Dienst. Nette Kollegen- aber das ist jetzt nicht mehr wichtig. Anrufe aus dem Elternhaus werden ignoriert. Man will jetzt auch keine "warmen Worte" mehr. Der kurze Gruß vom Vater- ein Annähern. Ein Eingestehen.
Es ist nicht mehr. Abnabeln. Es tut weh.

"Du schaust kein Jahr älter aus" aber sie fühlt sich alt. Zu alt.

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