Frühling- wie immer direkt mit sommerlichen Temperaturen, was also spricht dagegen, das Wochenende mit einem Eiskaffee bei Starbucks einzuläuten? Nagut, ich bin etwas faul- aber dafür raffe ich mich dennoch auf.
Das Schönste am Eiskaffee mitten in der Innenstadt ist doch das Lästern über all die Menschen, die sicherlich irgendetwas an sich haben, was ich selber gerne hätte. Oder aber die genau diese schlechten Eigenschaften haben, die ich selber besitze. Also: Spiegel vorhalten.
Dort zum Beispiel kommt der typische Manager-Typ. Oder Versicherungsvertreter. Bankkaufmann? Wie auch immer. Iphone in der Hand- nein, am Ohr. Kaffee in der anderen Hand, zusammen mit dem typischen Versicherungsunterlagenaufbewahrungstäschchen.
Immer im Stress- alles gleichzeitig erledigen, immer wichtig sein und vor Allem immer über alles direkt - ohne Zeitverzögerung- informiert werden.
Über seine, auf dem Weg von der Mittagspause durchgeführten, angeregten Dienstgespräche hin übersieht er die Frau mit der roten Plunderhose. Jesuslatschen, lange, lockige Haare, glückliches Gesicht, eine Tüte voller Biolebensmittel und ein Buch in der Hand setzt sie sich auf eine Bank und genießt die Sonne. Der Wind weht ihre Haare immer wieder vor die Augen, aber sie scheint es nicht zu bemerken. Vertieft in das Buch- dessen Titel ich leider nicht erkennen kann- sieht sie aus, als würde sie sich vollkommen alleine auf der Welt fühlen.
Eine Gruppe Schülerinnen und Schüler kommt über den Platz geschlendert. Jeder ein Brötchen oder ein Teilchen in der Hand. Jeder? Nein, am Ende der Gruppe ein Mädel und ein Junge, welche sich, verschüchtert in die Runde blickend, ab und an die Hand geben und streicheln. Werden sie angesprochen, so zucken sie auseinander und versuchen, mit möglichst cooler Miene und barscher Stimme zu antworten.
So weit ist das Baby - sicherlich ein Mädchen wegen der geblümten Mütze - in dem Kinderwagen am Tisch neben mir noch nicht. Mit großen Augen bewundert das Mädchen ihren Vater, der etwas ungeschickt versucht, seine Tochter aus dem Wagen zu holen. Die Mama sitzt am Tisch und beobachtet lächelnd die Anstrengungen- glücklich über ihre kleine Familie.
Hinter mir höre ich laut schimpfend eine alte Dame mit Rollator über das Kopfsteinpflaster gehen. Es scheint sehr anstrengend zu sein, den Rollator, gefüllt mit Einkäufen für das Wochenende, über die Pflastersteine zu schieben. Dabei soll das doch eine Erleichterung für alte Menschen sein. Naja, ich mag Kopfsteinpflaster auch nicht, wenn ich mit höheren Schuhen eilig durch die Stadt muss. Trotzdem- die Dame tut mir leid, aber helfen kann und will ich nicht.
Wie alle alten Damen trägt sie ein großgeblümtes, lilagrünblaubraunoranges Tshirt und eine beige Hose. Die Gesundheitsschuhe sehen unglaublich hässlich aus- sind aber wohl mindestens so bequem. Habe ich später auch so ein Tshirt an? Und im Winter einen pinken oder grünen Pullover? Muss wohl, denn ALLE alten Damen tragen so etwas.
Was all diese Leue wohl über die Frau denken, die da am Tisch sitzt und selbstversunken in die Runde schaut? Unglücklich sieht sie aus, nicht zufrieden mit sich, aber überspielen kann sie es gut. Wenn sie angefasst wird, zuckt sie zusammen- ihr ist es peinlich. Nichts an ihr gefällt ihr wirklich. Aber stark wirkt sie. Sicherlich nicht unintelligent und im Zuge jahrelanger Übung auch selbstsicher nach außen. Irgendwie tut sie mir leid. Sie wirkt verlassen und einsam - obwohl sie anscheinend, den sie grüßenden Menschen nach zu urteilen, einen großen Bekanntenkreis hat.
So einen Frühsommertag in der Außengastronomie zu verbringen ist spannender als ein Buch. Menschen beobachten und eigene Fehlbarkeiten verstecken- wer macht das nicht gerne? Ich liebe es, scheinbar unbeobachtet in meine Traumwelt zu versinken.
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